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Böhmische Granaten

Ingeborg Buchner, Wien

Das Christkind hatte mir einmal  ein Ringlein mit böhmischen Granaten gebracht und meine Freude war riesengroß! Ich habe eine Vorliebe für das Rot der Steine und ihren Glanz, wenn sie schön geschliffen sind und besonders, da im Namen der Steine das Wort Böhmen vorkommt!

Meine Oma hatte eine goldene Brosche, besetzt mit böhmischen Granaten, sie wurde zu Festtagen getragen und ansonsten in einem Schmuckkästchen aufbewahrt. Ich habe den schönen Schmuck schon als kleines Kind bewundert.

Böhmische Granaten – was für ein geheimnisvolles Wort!

In der Literatur findet man endlose chemische Formeln, die das durchsichtige Mineral mit der schönen feuerroten Farbe beschreiben, für uns soll aber genügen, dass es zur Gruppe der kristallinen Silikate gehört, zu der auch der Pyrop gezählt wird. Das Wort Pyrop leitet sich vom griechischen „pyropos“ ab, was „feueräugig“ bedeutet.

Schon im frühesten Mittelalter waren Pyrope bekannt, und Albertus Magnus bezeichnete sie in seiner Mineralienlehre als Unterart des „carbunculus“, des Karfunkelsteins. Die Benennung Granat für Pyrop hat ihren Ursprung im lateinischen Wort „granum“ für Korn oder Kern bzw. „granatus“ für kernig oder kernreich und bezieht sich auf das Vorkommen des Minerals in Körnern, die in Form und Farbe den Kernen des Granatapfels ähneln. Die ersten Karfunkelsteine kamen meist aus Indien.

Besonders beliebt und populär wurden die Granaten im 18. und 19. Jahrhundert, als an den Südhängen des böhmischen Mittelgebirges bei Leitmeritz, Trebnitz und Podsednitz Edelsteine in feuerroter bis glutroter Farbe in einer Korngröße von 6 bis 8 mm gefunden wurden und fortan unter dem Begriff „Böhmische Granaten“ weltweit an Beliebtheit gewannen.

Gleich nach der Entdeckung dieser Steine wurde in Böhmen mit der Schmuckherstellung begonnen. In der Blütezeit des böhmischen Granatschmuckes im 19. Jahrhundert waren über 10.000 Arbeiter im böhmischen Mittelgebirge mit der Förderung von Granaten und der Herstellung des Granatschmuckes beschäftigt. Dieser echte böhmische Granatschmuck ist traditionell mit vielen kleinen Steinen dicht besetzt, die wie rot funkelnde Kerne des Granatapfels beieinander liegen.

Für die hochwertige und kunstvolle Verarbeitung der Granaten wurden im 19. Jahrhundert in Böhmen eigene Schulen eingerichtet: Die Fachschule für Goldschmiede in Prag, die Fachschule für Schmuck in Turnau und die Schule für Kunstgewerbe in Prag. Außer den Lehrern dieser Schulen waren auch Architekten mit der Ausarbeitung von Entwürfen für die Schmuckstücke befasst.

Die Kunstfertigkeit der böhmischen Juweliere verhalf dem Schmuck zu besonderer Feurigkeit und Farbigkeit, sie wussten, durch welchen Schliff die Böhmischen Granaten am besten zu Geltung kommen.

In den böhmischen Kurstädten und Bädern wie Karlsbad, Marienbad und Franzensbad wurde der herrliche Schmuck bei in- und ausländischen Gästen äußerst beliebt, sodass man am Wiener Kongress 1815 die russische Zarin und ihre Hofdamen mit böhmischem Granatschmuck bewundern konnte.

Aber es kam so, wie es immer wieder im Modealltag zu beobachten ist: der einst so beliebte  Schmuck, besetzt mit böhmischen Granaten, kam außer Mode und die 10.000 Arbeiter im böhmischen Mittelgebirge bangten um ihre Arbeitsplätze und die Familien um ihr Einkommen.

Das änderte sich aber, als die österreichische Kaiserin Elisabeth, genannt Sissi, im Jahr 1854 auf ihrer Hochzeitsreise durch die österreichischen Erblande auch Böhmen besuchte und dort die reichhaltigen Granatvorräte besichtigte. Aus einem Geschenk von Steinen ließ sie sich eine große Parüre arbeiten und besuchte in einem weißen Atlaskleid, geschmückt mit den rot schimmernden Granaten, einen Hofball der Wiener Gesellschaft. Schon am nächsten Tag begann ein Ansturm auf Schmuck mit den ‘Böhmischen Feuerdrachen’.

Die große Parüre bestand aus einem Diadem, einem Collier, Ohrringen, einer Brosche und einem Armband. Alle Teile zeigten den typisch böhmischen Rosenschliff und bestanden aus ausgesucht schönen, sattdunkelroten Granaten.

Auch heute werden in Böhmen noch Granaten gefunden, die einstigen reichen Lagerstätten sind aber nicht mehr sehr ergiebig. So werden meist Granaten aus anderen Ländern verarbeitet, die beispielweise aus afrikanischen Ländern, Indien oder Südamerika stammen. Die Edelsteinschleifer verarbeiten sie zu klassischen oder modernen Formen, aber jeder geschliffene Stein begeistert durch seine Schönheit und durch seine Leuchtkraft. Der traditionsreiche Name „Böhmischer Granat“ wurde als Markenzeichen auch für nicht in Böhmen gefundene Steine beibehalten.

In Turnau (heute Turnov) im Böhmischen Paradies, dem früheren traditionsreichen Zentrum des Granat verarbeitenden Gewerbes, hat man 1953 durch die Vereinigung kleinerer privater Goldschmiedefirmen eine Genossenschaft gegründet, die diese Tradition weiterführt.

Seit 1961 ist die Firma GRANÁT Turnov das größte Unternehmen, das Schmuck mit böhmischen Granaten herstellt. In Turnau und in weiteren Geschäften der Genossenschaft, wie in Prag, Reichenberg und Budweis, kann man den herrlichen Schmuck mit böhmischen Granaten kaufen.

In Trebnitz (heute Třebenice), einem der bekannten Fundorte böhmischer Granaten, wurde in der ursprünglich deutschen evangelischen Kirche 1959 ein „Museum der böhmischen Granate“ eingerichtet. In diesem Museum wurde auch der berühmteste Schmuck mit böhmischen Granaten ausgestellt: eine Empiregarnitur mit 458 erstklassigen, in Gold gefassten Steinen, die aus Collier, zwei paarigen Armbändern, Gürtelspange, Ring und Ohrringen besteht. Die Schmuckgarnitur wurde für die Baronin Ulrike von Levetzow, der letzten Liebe von Johann Wolfgang von Goethe, hergestellt.

Seit Ende vergangenen Jahres erinnert im Regionalmuseum in Most / Brüx eine neue Dauerausstellung an Ulrike von Levetzow. Im Mittelpunkt steht ein echter Schatz: der Granat-Schmuck aus dem Nachlass der Baronin. Unter dickem Panzerglas wird er jetzt dort ausgestellt. Die Geschmeide sind mit insgesamt 469 Edelsteinen besetzt und können sich als die umfangreichste Kollektion der größten böhmischen Granate überhaupt rühmen.

Die „echten“, in Nordböhmen gefundenen Granaten sind heute fast ausschließlich in antikem Schmuck verarbeitet; in heute hergestelltem Schmuck sind sie nur noch selten zu finden. So werden wohl in meinem Ring auch Granaten verarbeitet sein, die nicht aus Böhmen stammen, obwohl das Christkind aus Böhmen eingeflogen war. Doch schon Albertus Magnus hat in seiner Mineralienlehre dem Granat eine „das Herz erfreuende und die Traurigkeit vertreibende Wirkung“ zugeschrieben. Und das trifft bei mir ganz sicher zu.

 

Quellen und Literatur: Alena Křížová; Granat, in: RDK Labor (2014); www.rdklabor.de/w;  www.granat.cz;  www.antikschmuck.de/granat

 

 

 

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