Wir schreiben das Jahr 1913.
Das k.k. privilegierte bürgerliche Scharfschützenkorps Böhmisch-Leipa trifft Vorbereitungen für das 100-jährige Gründungsfest und die Weihe der 3. Korpsfahne am 27. Juli 1913. Viel ist zu tun und zu bedenken: Quartiere für die eingeladenen fremden Korps und Vereine sind zu suchen, die neue Fahne ist auszuwählen und eine Fahnenpatin zu gewinnen, Festreden und ein Festkonzert sind vorzubereiten, der Festplatz und der Marktplatz sind zu schmücken und noch viele andere Dinge mehr.
Dies alles entnehmen wir dem „Erinnerungsblatt und der Festordnung zum 100jährigen Gründungsfest“, das unsere Heimatfreundin Erika Rahnsch im Leipaer Archiv in Waldkraiburg entdeckt hat.
Das Erinnerungsblatt enthält auch die Entwicklungsgeschichte dieser Vereinigung, die ich Ihnen schildern möchte, ohne auf die vielen Daten und Gesuche um „allerhöchste Bewilligung“ näher einzugehen.
Der Gründer des Scharfschützenkorps war ein junger Leipaer, Karl Franz Bredschneider, der beim 4. Leitmeritzer Landwehrbataillon gedient hatte und seine Freunde begeistern konnte, ein bewaffnetes Bürgerkorps zu gründen, um die Stadt Leipa während der Zeit der Franzosenkriege schützen zu können.
Am 19. Mai 1811 schlossen sich also 16 patriotisch gesinnte Leipaer Bürger zusammen und gründeten ein Scharfschützenkorps und „jeder von ihnen erlegte sogleich den Betrag von 50 Gulden Wiener Währung“ als Vereinsgrundlage. Ein Ausschuss von 6 Personen wurde gewählt, der alle Erfordernisse zu besorgen hatte, wie die Auswahl einer geziemenden Uniform, des Säbels und der „Schrotbüchs“, die Auswahl einer k.k. Fahne, das Suchen eines geeigneten Platzes für das Scharfschießen und die Erlangung der dafür notwendigen allerhöchsten Genehmigungen.
Wir lesen im Erinnerungsblatt, dass für die Genehmigung der Uniform – „kornblauer Rock mit grasgrünen Kragen und Aufschlägen, gelben Knöpfen und am RockEnden goldne Waldhörnel, grün und gelb seidene Schnur für das Pulverhorn, grün und goldene Epaulets“ usw., usw. – mehrere Gesuche eingereicht werden mussten, bis die korrekte Abgrenzung zu einer militärischen Unform in Schnitt und Farben gelungen war.
Aber als besonders schwierig erwies sich die Suche nach einem Schützenplatz.
Das Korps hatte sich 1811 an die Herrschaft in Neuschloss gewandt, welche ihm einen Platz beim Ziegelteich (dem heutigen Stadtpark) für einen Pachtschilling überlassen wollte, was aber vom Korps dankend abgelehnt wurde, da ihm das Gelände nicht geeignet erschien und es den Pachtschilling nicht zahlen wollte.
Danach verhandelte man mit einem dem Korps nahestehenden Fabrikanten wegen eines Platzes an der Schworaer Straße. Dieser Platz wurde wiederum von der Herrschaft Neuschloss nicht genehmigt, da ein alter Fußsteig zu nahe am Gelände vorbei führe und der Platz daher zu gefährlich wäre.
Nun suchte das Korps beim Großprior von Oberliebich an, ob man die alte Schießstätte in Niederliebich erneuern und dort den Scharfschießplatz einrichten könnte. Die Niederliebicher Einwohner haben aber gegen diese Idee größte Bedenken geäußert, sodass auch dieses Gesuch abgelehnt wurde.
Jetzt blieb dem Korps nichts anderes übrig, als die Herrschaft Neuschloss erneut zu bitten, ihm den vorerst abgelehnten Platz beim Ziegelteich doch noch zu überlassen, was dann am 8. August 1812 auch bewilligt wurde. Der Platz konnte dem Korps sogar kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Danach erst konnte mit dem Bau des Schießstandes begonnen werden.
Wir greifen kurz der Geschichte vor: Nach der Anlage des Stadtparks musste der so mühsam erworbene Platz wieder geräumt und das Schützenhaus abgetragen werden. An der Oberliebicher Straße, östlich der Haltestelle der Böhmischen Nordbahn, wurde ein neues Schützenhaus errichtet, das 1883 bezogen werden konnte. Dieses Schützenhaus ist sicher allen Leipschen noch in guter Erinnerung.
Im Buch „Das gastfreundliche Leipa“, welches in Leipa in tschechischer Sprache erschienen ist, wird erwähnt, dass das „Scharfschützenhaus“ (heute Stelnice), eines von drei ehrwürdigen alten Gasthäusern ist, die die Zeiten überdauert haben.
Es war inzwischen Sommer 1813 geworden, als die allerhöchste Entschließung vom 26. August 1813 in Leipa eintraf, mit welcher „Seine k.k. Majestät die Böhmisch – Leipaer Schützengesellschaft und die modifizierte Uniform allergnädigst zu bewilligen geruht haben“.
Dieser Tag ist als der offizielle Gründungstag des Scharfschützenkorps anzusehen.
Die Weihe der ersten Korpsfahne fand am 29. Juni 1814, zu Peter und Paul, in der Frauenkirche statt. Die Fahne war „von gelbem Taffet, eingefasst mit grünen und blauen Spitzen, auf der einen Seite der böhmische Löwe in rotem Felde, auf der anderen Seite das Leipaer Stadtwappen im kaiserlichen Adlerfelde“. Die zweite Korpsfahne wurde zum 50-jährigen Bestehen am 26. Juli 1863 vor dem Altar an der Pestsäule am Marktplatz geweiht. Fahnenpatin war die Gräfin Elisabeth von Kaunitz.
Die Weihe der dritten Korpsfahne erfolgt beim 100-jährigen Gründungsfest wieder am Marktplatz von Leipa. Dem Scharfschützenkorps wurde mitgeteilt, dass „Seine k.u.k. Apostolische Majestät Kaiser Franz Josef I. dem Schützenkorps in Böhmisch-Leipa die Anschaffungskosten für eine neue Korps-Fahne im Betrage von 800 Kronen aus allerhöchsten Privatmitteln allergnädigst zu bewilligen geruht haben“.
Neben dem Heranbilden von tüchtigen Schützen hatte das Scharfschützenkorps auch durch Paraden bei kirchlichen Festen, Trauerfeierlichkeiten sowie beim Geburtstag und Namenstag des Kaisers einen ehrenden Beitrag zu leisten. Im Erinnerungsblatt sind auf fast drei Seiten die Ausrückungen und Aufzüge aufgeführt, die von 1814 bis 1913 stattgefunden haben.
Heute schreiben wir das Jahr 2013.
Am 26. August wird es genau 200 Jahre her sein, dass das von Franz Karl Bredschneider gegründete Leipaer Scharfschützenkorps von allerhöchster Stelle genehmigt wurde. Es hatte sofort nach der Genehmigung 1813 den Auftrag, Wache zu halten, da sich feindliche Truppen in der Nähe von Leipa aufgehalten hatten. Diesen Dienstleistungen haben sich die Scharfschützen mit Hingabe und Opferwilligkeit unterzogen, wie ausdrücklich erwähnt wird.
Daran wollten wir Sie erinnern, es ist ein Stück Geschichte unserer Heimatstadt.